Einzeltäter-Theorie hat viele Schwachstellen – Schädliche „Schwamm-drüber“-Politik des Innenministers

Bild: Angelika Aschenbach

Im Strafprozess um die NSU-2.0-Drohbriefe hat der Angeklagte Alexander M. heute vor dem Landgericht Frankfurt bestritten, Urheber der über hundert Droh- und Schmähschreiben zu sein, die zwischen August 2018 und März 2021 an eine Vielzahl von Personen des öffentlichen Lebens verschickt wurden. Vielmehr seien die Schreiben in einer Chatgruppe im Darknet koordiniert worden, an der sich nach seinem Eindruck auch Polizeibeamte beteiligt hätten.

Dazu sagte der Vorsitzende der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, Günter Rudolph, am Donnerstag in Wiesbaden: „Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage davon aus, dass Alexander M. wahrscheinlich mehrfach hessische Polizeibeamte mit großem schauspielerischen Geschick am Telefon hereingelegt und ihnen so die geschützten Personendaten der Betroffenen entlockt haben soll. Aber können Polizeibeamte wirklich so naiv sein? Buchstabieren sie wirklich einem vermeintlichen Kollegen aus Berlin am Telefon Namen und Wohnadressen, die aus gutem Grund geschützt sein sollten? Daran darf man – unabhängig von der Aussage des Alexander M. – zweifeln.

Die von den hessischen Ermittlungsbehörden verfolgte Einzeltäter-Theorie hatte und hat viele argumentative Schwachpunkte, die vom Gericht überprüft werden müssen.

CDU-Innenminister Beuth hat die Festnahme von Alexander M. seinerzeit so interpretiert, dass die hessische Polizei damit vollständig von dem Verdacht entlastet sei, einzelne Beamte könnten in der NSU-2.0-Affäre eine aktive Rolle gespielt haben. Und er nahm die Einzeltäter-Theorie als willkommenen Anlass, alle weiteren Bemühungen um polizeiinterne Aufklärung einzustellen.

Diese Politik des ‚Schwamm drüber‘ war und ist ein Markenzeichen von Innenminister Beuth. Kurzfristig mag sich der Minister auf diese Weise eine politische Atempause verschafft haben, langfristig aber schadet er damit dem Ansehen der Polizei und dem Vertrauen der Menschen in die Sicherheitsbehörden.“